Im Pott 1982

1982 geboren, verbrachte ich die ersten 22 Jahre meines Lebens im Ruhrgebiet. Witten, etwa so groß wie Koblenz, aber zwischen den Giganten dieser Gegend wirkt es wie ein Dorf. Wenn ich das erzähle, ernte ich meist mitleidige Blicke. Nein, ich habe keine Staublunge und ja, wir können unsere Wäsche draußen trocknen – auch die Weiße. Freunde, die schon einmal meine Heimat besuchten, kamen meist nicht umhin, das Vorhandensein von Wald und Feldern lobend  zu erwähnen. Oder Dinge wie „Bei euch ist es ja viel ruhiger, als ich dachte.“ zu sagen. Ich nehme es niemandem übel - man muss wohl wirklich dort gelebt haben, um die etwas andere Schönheit des Ruhrgebiets nachempfinden zu können. Für mich ist und bleibt es meine geliebte Heimat. Aber eins liebe ich noch mehr, und dafür habe ich zwar keine neue Heimat, aber ein neues Zuhause gefunden: Wein.

Richtungswechsel

Aus mir mittlerweile unerfindlichen Gründen begann ich nach meinem Abitur das Studium der Wirtschaftswissenschaften. Recht schnell musste ich feststellen, dass ich in diesem Bereich sicher nicht meine berufliche Erfüllung finden würde. Als Kind wollte ich mal Försterin werden und irgendwie fand ich die Vorstellung etwas Handwerkliches zu lernen, bei dem ich viel draußen arbeiten kann, viel schöner als die Vorstellung, mein Leben der Welt der Zahlen zu opfern. Allerdings gab es inzwischen eine Pflanze, die mich mehr interessierte als Bäume.

Der Riesling, Frau Schmitt und die Mosel.

Nach einem sechsmonatigem Praktikum beim Weingut Heymann-Löwenstein in Winningen stand mein Entschluss fest. Ich möchte Weinbau in Geisenheim studieren. Nach meinem Abschluss ging ich für vier Jahre ins Ausland. Eine Lese verbrachte ich in Südafrika, eine in Kalifornien und dann arbeitete ich zwei Jahre in einem Weingut in der Provence.  Es war eine lehrreiche und schöne Zeit, doch wer Riesling machen will, richtig guten Riesling, gehört nach Deutschland.  Und wer mich fragt, an die Mosel und zwar mit Frau Schmitt.

Irgendwo - Nirgendwo 1980

1980 – mein Geburtsjahr, welches viele Winzer heute noch erschaudern lässt, da dieses Jahr alles andere als ein  Jahrhundertjahrgang war – aber mich interessierte das damals und die nächsten 20 Jahre recht wenig.

Geboren wurde ich in einer netten Kleinstadt in Nord-/Osthessen. Mit elf ging die Reise dann 15 km weiter in den Heimatort meiner Mutter. Dort wohnte ich mit meiner Familie auf dem ehemaligen Bauernhof meiner Großeltern, 98 anderen Dorfbewohnern und jeder Menge Tieren und Natur.  Obwohl ich oft belächelt werde, wenn ich erzähle wo ich herkomme, hat es mir glaube ich nicht geschadet, in einem 100 Seelen Dorf irgendwo im Nirgendwo aufzuwachsen. Ganz im Gegenteil, wir Landeier hatten damals jede Menge Spaß.

Auf Umwegen

Mit 18 Jahren kam ich auf die Idee, dass Sozialwissenschaften irgendwie meine Lebenserfüllung werden könnten und ging zum Studieren nach Kassel. Bereits nach wenigen Semestern erschien mir diese Idee immer weiter ins Absurde gerutscht zu sein, und ich begann zwischen Hörsaal, Mensa und Kasseler Nachtleben nach Alternativen zu suchen. 

Die neue Liebe – der Wein

Schließlich brachte ein Nebenjob die ersehnte Wende. Eine Weinhandlung in Kassel und deren Filialleiter öffneten die Tür in ein mir unbekanntes Leben – die große, weite Welt der Weine. Dass ich mich letztendlich für ein Studium in Geisenheim entschieden habe, um Wein an- und auszubauen, habe ich wohl dann wieder meinen Wurzeln und meiner Kindheit und Jugend im Nirgendwo zu verdanken. Anscheinend hatte die Liebe zur Natur und den Pflanzen irgendwie in meinen Genen geschlummert.

Reben, Riesling und Rebecca

Während eines Praktikum bei Robert Weil überzeugte ich mich noch zehn Monate lang davon, dass die Realität auch meinen Vorstellungen entspricht, um dann Oenologie und Weinbau zu studieren. Nach meinem Abschluss arbeitete ich vier Jahre lang an Mittelmosel und Mittelrhein, und mein Traum von einem eigenen Weingut kam immer öfter aus dem Unbewussten hochgekrochen. Riesling. Mosel. Frau Materne. Drei Dinge die mein Leben verändert haben!